Chronik

Mit seiner prägnanten Architektur setzt das 1981 fertiggestellte Kulturhaus einen besonderen städtebaulichen Akzent: In idealer Lage, mitten im Stadtzentrum und doch in der grünen Umgebung des Stadtgartens präsentiert sich das Bauwerk mit seinen vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten als Forum der Kultur und Begegnung.

1972 schrieb die Stadt Lüdenscheid einen Architektenwettbewerb für ihr „Jahrhundertprojekt“ Kulturhaus aus. Zwei Jahre später erhielt das Stuttgarter Architektenbüro Gutbrod, Billing, Peters und Ruff den Planungsauftrag. Rund 30 Millionen Mark investierte die Stadt in ihr ehrgeiziges Projekt. Die Bauleitung übernahm Prof. Nikolaus Ruff. Dreieinhalb Jahre (1978-1981) währten die Bauarbeiten an dem architektonisch anspruchsvollen, nach anthroposophischen Gesichtspunkten erbauten Gebäude, das sich sowohl in seiner Außen- als auch in der Innengestaltung an der Philharmonie Berlin orientiert. Zwei harte Winter führten zu Verzögerungen. Zur feierlichen Eröffnung am 6. November 1981 standen "Beethovens Neunte“ und eine Uraufführung von Giselher Klebe auf dem Spielplan. Eine Festwoche, die Kultur in bemerkenswerter Vielfalt bot, folgte.

Treibende Kraft hinter dem Bau des Kulturhauses war Lüdenscheids früherer Stadtdirektor Klaus Crummenerl, der seit 1973 als Beigeordneter für die Bereiche Recht, Sicherheit und Ordnung, Schule und Kultur zuständig war. Sowohl der Bau des Kulturhauses als auch die Eröffnung der Museen mit modernem Verbindungsbau (1988) und die der Stadtbücherei mit gläsernem Markt (1989) fallen in seine Amtszeit.

Bereits Mitte 1979 betraute die Stadt Rudolf Sparing als ersten Leiter des Kulturhauses mit der künstlerischen und kaufmännischen Leitung des noch im Bau befindlichen Kulturhauses. Von Wuppertal, wo er als Dramaturg tätig war, wechselte der gebürtige Hannoveraner nach Lüdenscheid. Zwei Reihen Musiktheater, drei Reihen Schauspiel, je eine Reihe Sinfoniekonzerte, Meisterkonzerte, experimentelles Theater (Studio) und Kindertheater, dazu Jugendtheater und Sonderprogramme, Spielfilme und Lesungen offerierte das Kulturhaus, das von Anfang an „ein Haus für alle“ sein wollte, in der Anfangszeit.

Als Rudolf Sparing 2002 in den Ruhestand ging, trat Stefan Weippert seine Nachfolge an. Die Wiederbelebung der Waldbühne im Stadtpark und neue Formate wie der Poetry Slam fallen in seine Amtszeit. Mit Kooperationen und neuen Formaten wie dem Vermittlungsangebot „Party-Cipation“ zum Mitmachen, Mitreden und Entdecken stellt Rebecca Egeling das Haus seit 2017 für die Zukunft auf.

Für ihr architektonisch herausragendes Gebäude erhielten die Stuttgarter Architekten 1983 den Architekturpreis Beton, einen der ältesten Architekturpreise Deutschlands.

Näheres über die Kulturgeschichte Lüdenscheids geht aus einem Text von Dr. Eckhard Trox, der erstmals auf der Kulturhaus-Website veröffentlicht wird, hervor.

Im 19. Jahrhundert vollzog sich die „Verwandlung der Welt“ (Jürgen Osterhammel).

Die Zurückdrängung der Bedeutung des Adels mit dessen spezifischen Kulturbedürfnissen, der Aufstieg mächtiger werdender bildungs-, vor allem wirtschaftsbürgerlicher Kreise zu politischen, kulturellen und ökonomischen Eliten in Deutschland waren nicht nur, aber vor allem Folge der Industriellen Revolution. Auch Lüdenscheid erhielt im 19. Jahrhundert von ihr mächtige Impulse.

Ein mit der Industriellen Revolution einhergehendes, vorherige Entwicklungen weit übertreffendes Bevölkerungswachstum, verbunden mit innerdeutschen und innereuropäischen, wirtschaftlich motivierten Wanderungsbewegungen, führte in Städten zu neuen politischen Herausforderungen und veränderten administrativen Notwendigkeiten. Da dieser Prozess begleitet war von der Herausbildung neuer wirtschafts- und bildungsbürgerlicher Eliten, bewirkte dies alles in großen, auch bedeutenden mittleren Städten klar erkennbare, im Stadtbild sichtbar werdende Veränderungen. Diese werden heute gängiger Weise mit dem Begriff Urbanisierung bezeichnet. Das neu verfasste, sich neu strukturierende bürgerliche Leben in den Städten drängte zur Institutionalisierung und dabei zur Entfaltung von Glanz, der sich häufig in beeindruckender Architektur verfestigte. In großen Gebäuden, etwa in Bahnhöfen, in Gerichten, manchmal schon in Justizpalästen, gewiss in Verwaltungsgebäuden, in privat finanzierten, repräsentativen Hotels, häufig auch in großzügig-repräsentativ realisierten Krankenhäusern, Banken sowie Elektrizitäts- und Gaswerken, welche neue Dienstleistungs- oder Versorgungsansprüche befriedigten, zeigte sich die städtebaulich-funktionale Veränderungsdynamik urban-bürgerlicher Eliten. Dazu gehörten auch bürgerlich geprägte Formen der Entfaltung kulturellen Lebens: Gerade in Museumsbauten, Opernhäusern und Theatern spiegelte sich der Aufstieg des Bürgertums zur tonangebenden Klasse wider.

Lüdenscheid erlebte seit ca. 1850, besonders nach der Reichsgründung 1871 in demjenigen Rahmen, der der kleinen, wirtschaftlich dynamisch aufstrebenden Industriestadt in der Mitte des südwestfälisch-märkischen Industriegürtels vorgegeben war, zahlreiche, sichtbar werdende Schübe der Urbanisierung. Dazu gehörten ein Post- und Gerichtsgebäude, ein Krankenhaus, ein Rathaus, später Gas- und Elektrizitätswerke und schließlich 1910 das Amtshaus für das Amt Lüdenscheid. Während in den Jahrzehnten um die damalige Jahrhundertwende im märkischen Industriegürtel aber technisch-industrielle Entwicklungen globaler Bedeutung von noch heute ungebrochener innovativer Kraft ihren Ausgang nahmen (u. a. Leichtmetallverarbeitung), der Wohlstand sich in der Stadt und im umliegenden Amt Lüdenscheid mehrte, entwickelte sich die kulturelle Infrastruktur der Stadt zögerlich. Erinnerungsorte wie ein städtisches Archiv mit historisch bedeutsamem Büchern, ein Museum oder konservierende Sammlungen gab es nicht. Theatervorstellungen und musikalische Darbietungen von Oper bis Oratorium bis hin zur Kammermusik erwuchsen aus den Initiativen von in Vereinen, auch kirchlich organisierten bürgerlich-wohlhabenden Kreisen oder aus dem Gewinnstreben von Einzelnen. Als Aufführungsorte nutzte man, was bürgerliches Engagement oder Privatleute bzw. Investoren an großzügigeren Versammlungs- und Veranstaltungsorten im 19. Jahrhundert auf den Weg gebracht hatten, ab 1900 auch die 2000 Personen fassende, neuerbaute Schützenhalle der Lüdenscheider Schützengesellschaft. 

Beschränkt man den Blick auf Oper und Konzert, Theater, Kammermusik und ‚Bühnen-Amüsement‘ aller Art, so ist die Aufzählung Lüdenscheider Spielstätten, Initiativen und Organisationen – ausdrücklich verbunden mit der Absicht der Auflistung wirklich bedeutsamer kultureller Ereignisse und relevanter Personen seit 1900 bis zur Eröffnung des Kulturhauses 1981 – mit großen Schwierigkeiten verbunden. Das ist deshalb der Fall, weil Unterschiedliches und vieles, keineswegs an einem einzigen Ort Veranstaltetes zusammengeführt werden müsste. Zudem stellt man bei der Durchsicht der Überlieferung fest, dass perspektivisch interessante Initiativen an unterschiedlichen Spielorten wiederholt abgebrochen und nicht weiterverfolgt wurden. Wichtiger noch: Im historischen Gedächtnis der Stadt hat sich nur eine diffuse, jedenfalls nicht allgemein geteilte, sich auf ganz wenige Sachverhalte beschränkende Erinnerung davon ausgebildet, was vor der Eröffnung des Kulturhauses als wichtiges kulturelles Ereignis, als bedeutsame kulturförderliche Struktur bezeichnet werden könnte. Weit Zurückliegendes ist nicht einmal auf den richtigen Begriff gebracht worden. 

Ein Beispiel: Ausarbeitungen zu Einzelaspekten, etwa zur sogenannten Lüdenscheider Theatergeschichte, führen nur schlichte Fakten und einfache Daten zusammen, fragen aber nicht nach der künstlerischen Relevanz des Dargebotenen, nicht nach der Bedeutung für die Stadt. So kommt es, dass die „Geschichte des Lüdenscheider Stadttheaters“ von 1897 bis 1913, die Helmut Pahl 1980 unter Aufzählung zahlreicher Stücke, ihres Aufführungsdatums und mit Nennung der wichtigsten SchauspielerInnen zusammengetragen hat, mittlerweile als vergessen bezeichnet werden muss. Schon der Titel seines Buches stiftet Verwirrung. Er enthält den Begriff Stadttheater, aber Pahl setzt diesen nicht einmal in Anführungszeichen. Ein ‚Stadttheater‘ in städtischer Trägerschaft mit einem eigenen städtischen Gebäude und eigenen Ensembles hat es doch damals genau so wenig gegeben wie heute. Damals hätte das in der kleinen Mittelstadt einen hohen Grad an Urbanisierung, an Urbanität vorausgesetzt, sicher auch eine große Bevölkerungszahl, dazu exponentiell wachsenden Wohlstand und Mäzenatentum. Das waren allesamt Faktoren, die Lüdenscheid vorerst so nicht besaß und die sich erst im Laufe der späteren Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts langsam und zumindest teilweise entwickelten. Was Pahl 1980 als Stadttheater bezeichnete, war kein Ort städtischer Daseinsvorsorge im Bereich Kultur. Es handelte sich vielmehr um profitorientierte Darbietungen im Hotel „Zur Post“. Ein Abend mit Musik dort war dazu angetan, im wunderschönen Hotel zu verweilen, großzügig Essen und edle Getränke zu sich zu nehmen und auch sonst sich den lustvollen Dingen des Lebens zuzuwenden. Nach dem Krieg lebte dieses Geschäftsmodell wieder auf – was damals in Sachen Musiktheater in Lüdenscheid geschah, ist allerdings nicht vergessen: Rege ist die immer wieder aktualisierte Erinnerung der Lüdenscheider Stadtgesellschaft an die Musiktheatersaison 1919/20 im Hotel „Zur Post“ unter einem damals noch außerordentlich jungen Dirigenten, der zielgerichtet zum Aufbau einer Orchesterformation und eines Ensembles von Sängern schritt. Musikalische Hochkultur war für ihn unter den vorhandenen Bedingungen nicht erreichbar. Was er in Lüdenscheid hinterließ, war aber bemerkenswert, nämlich seinen wohlklingenden Namen, den des später weltberühmten Komponisten Kurt Weill – auch ließ er die Partitur eines Streichquartetts zurück. Diese hatte er einer Lüdenscheider Schönen vermacht.

Dies alles mag den Wunsch nach einem eigenen Theater in städtischer Trägerschaft gestärkt haben. 1926 wurde dieser Wunsch von einer dazu berufenen Persönlichkeit, nämlich dem Mitbegründer und damaligen Vorsitzenden der Lüdenscheider Kunstgemeinde Dr. Friedrich Thomä, tatsächlich formuliert. Vor Augen hatte er „ein kleines Theaterchen, mit 700 bis 800 bequemen Sitzplätzen“. Die Kunstgemeinde dachte es sich „vornehm und doch einfach gehalten, mit Parkett und Rang, mit ausreichend gestalteter Bühne und geräumigen Garderobeneinrichtungen. Es würde dann gleichzeitig als Festraum dienen können für städtische und andere festliche Veranstaltungen größeren Stils.“ Was die Kunstgemeinde damals in den besten Jahren der Weimarer Republik kommunizierte, war dem, was über 50 Jahre später die Stadt tatsächlich mit dem Kulturhaus Lüdenscheid realisierte, nicht unähnlich. – In der Kunstgemeinde hatte sich starkes bürgerliches Engagement entfaltet. Wird solches Engagement in Lüdenscheid getragen von klugen, fleißigen und engagierten, aber auch von vermögenden Repräsentanten unterschiedlicher innerstädtischer Herkunftsgruppen und Berufe, ist das fast ein Erfolgsgarant für kulturelle Bestrebungen bzw. Institutionen. Kurz: Die Kunstgemeinde wirkte erfolgreich für die massive Belebung des kulturellen Lebens in der Stadt. Zusammengefasst: In den 12 Jahren ihrer Aktivität von 1921 bis 1933 hatte sie 53 Theateraufführungen, 63 Konzerte, 27 Vorträge und 8 Ausstellungen realisiert – vieles davon relativ hochkarätig. Im Vorstand und Beirat versammelte sich eine wissensmäßig-kulturelle Elite. Die Resultate dieses Engagements waren für die Stadt so vorbildlich, dass noch heute die Kunstgemeinde als der wichtigste treibende Faktor hin zur kulturellen Erneuerung der Stadt in den 1980er Jahren und als Wegbereiter des Kulturhauses gesehen wird.

Unter dem nationalsozialistischen Oberbürgermeister Karl Friedrich Schumann allerdings wurde die Kunstgemeinde 1937 „liquidiert“ (Gerd Ellenbeck), nachdem bereits zuvor durch Gleichschaltung statt Kultur vielfach nur noch Propaganda geboten worden war. Im Zug der Zeit lag freilich die Schaffung der Lüdenscheider Waldbühne im Stadtpark 1936, die 2004 unter Kulturhausleiter Stefan Weippert wiederbelebt wurde. – Nach dem Krieg, nach Nazi-Terror, Kultur-Diktat und Verlusterfahrungen, hat es in Lüdenscheid zunächst einmal einen vielgesichtigen, von Experimentierfreude geprägten kulturellen Aufbruch gegeben. ‚Kultur statt Barbarei‘ – das ist äußerst schablonenhaft formuliert, trifft aber den Kern der Sache. 1946 und 1947 erlebte die Stadt mit über 1200 Veranstaltungen an unterschiedlichsten Spielorten eine wahre „Scheinblüte“: „Das Publikum riß sich um die kostbaren Karten“ (Gerd Ellenbeck). Die Währungsreform 1948, vor allem die antikulturell-restaurative Grundverfasstheit der ersten Wirtschaftswunderjahre, die sich eindrücklich in der Lokalberichterstattung der Lüdenscheider Nachrichten widerspiegelt, machte alledem ein Ende, wenngleich es in der Zeit von 1947 bis in die frühen 1950er Jahre hinein mit dem Bergstadt-Theater im Saal der Gaststätte Crummenerl auch ein stehendes Theater gab, was solange existierte, bis die größeren Theater in nahegelegenen, aber im Krieg ausgebombten Ruhrgebietsstädten wieder spielfähig waren. Dauerhaft überlebte letztlich nur die 1946 wiederbegründete Kunstgemeinde. Diese fand für die Realisierung von Theatervorstellungen mit Gastspiel-Ensembles eine neue Spielstätte. Doch der Absturz war symptomatisch: Statt im eigenen Theater, wie Thomä es 1926 anstrebte, war man seit 1956 in der Regel mittwochs zu Gast im Kinosaal des Parktheaters, erbaut von der damaligen belgischen Besatzungsmacht, finanziert durch deutsche Reparationszahlungen. Der Theaterausschuss der Kunstgemeinde legte das von der Stadt mitfinanzierte Programm fest. Keine Frage: Es gab große Abende, die in Erinnerung blieben. Gerade in den 1950er und 1960er Jahren kamen große Schauspielerpersönlichkeiten nach Lüdenscheid, etwa Maria Becker, Ernst Schröder, Gerd Westphal, Attila Hörbiger, Paula Wessely oder Will Quadflieg. Die Kunstgemeinde befand sich in den späteren Jahren zusehends im Abwehrkampf gegen eine bestimmte Form des Tourneetheaters, die Jürgen Kramer treffsicher als „Masche des reinen Geldverdienens“ bezeichnete. Bald waren die Sitze verschlissen, die Luft war muffig, die Garderobe zu klein, es roch nach Chlor – schließlich befand sich der Kinosaal über dem Hallenbad! Die Diskussionen über großzügige Alternativen nahmen an Schärfe zu. Kulturelle Multifunktionsbauten oder Stadthallenkonzepte fanden keine stabilen Mehrheiten – letztere schon deshalb nicht, weil Lüdenscheid mit der Schützenhalle über ein verwandtes, herausragendes Architekturzeugnis verfügt. Schließlich entwickelte sich die Debatte in Richtung auf die Errichtung unterschiedlicher Kulturinstitutionen: Ein Museum und eine Stadtbücherei sollten es sein. Und mit Blick auf Bühnen- und Podiumsdarbietungen aller Art strebte man ein multifunktionales Kulturhaus an, das hierfür über modernste Bühnentechnik verfügte, aber auch über eine eigene Gastronomie und über Kongresseignung verfügen sollte und in jeder Beziehung fest- und veranstaltungstauglich sein musste. Die Großzügigkeit der Entwicklung hin zu einer Kulturachse entlang des Altstadtquartiers war Ergebnis eines ‚Deals‘. Die Antagonisten im Sport- und Sozialbereich auf der einen Seite, im Kulturbereich auf der anderen wurden durch einen quasi überparteilichen Schulterschluss mit dem Ziel der mittelfristigen grundlegenden Stadterneuerung zusammengeführt – die Finanzen ließen Zukunftsgewandtes zu. Das war ein wirklich kraftvoller Akt aufholender Urbanisierung in Lüdenscheid.

Im Jahr 1981 wurde also alles anders. „Von herausragender architektonischer Qualität“, so Klaus Crummenerl, ist das „von dem Architekten Nikolaus Ruff vollendete Kulturhaus, ein in Farbgebung und Materialwahl von anthroposophischen Maßstäben beeinflusster skulpturaler, im Inneren höchst variabler Baukörper. Es vereint die Funktionen eines Theater- und Konzerthauses mit denen einer Stätte für Konferenz und Geselligkeit. Das Kulturhaus“ bot, so fährt Crummenerl fort, in den letzten rund 40 Jahren „ein vielseitiges Theater- und Konzertprogramm mit einem Dutzend Abonnements.“ Vieles von dem, was seit 1981 im, mit und durch das Kulturhaus bzw. dessen jeweiligen Persönlichkeiten an der Spitze – Rudolf Sparing, Stefan Weippert und Rebecca Egeling – geschah, ist noch gegenwärtige Vergangenheit. Um es sehr allgemein zu formulieren: Zunehmender Kostendruck, verändertes Konsum- und Freizeitverhalten, vollständig veränderter Zugang zu Kultur und Bildung durch die Medienrevolution, volatile Akzeptanz der Kulturhaus-Gastronomie und Schwankungen in der Verankerung der Leitungspersönlichkeiten in der Lüdenscheider Stadtgesellschaft führten in der Zeit nach dem Ende der Ära Sparing immer wieder zu Diskussionen. Ihm war es mit seinem äußerst vital nach vorne verteidigten Programm und den vielfach großartigen Aufführungen seiner Theatergruppe aus mit Profis verstärkten leidenschaftlichen Amateuren noch gelungen, die notwendige Tiefenverankerung in der Stadt- und Regionalgesellschaft herzustellen. Umgekehrt kann man sagen: Zuerst und lange Rudolf Sparing, dann Weippert und Egeling holten und holen die großen Stars, ob nun Jürgen Prochnow, Pierre Brice, Inge Meysel oder Bernhard Minetti, die Kabarettisten bzw. Unterhalter Hans Dieter Hüsch, Harald Schmidt, Dieter Hildebrandt, Harald Juhnke und Dieter Nuhr oder aber die Brecht-Interpretin Gisela May – die Namen der großartigen Orchester, Sänger, Kammermusiker und sonstigen Ensembles werden hier verschwiegen.

Durch Anregung des Geschichts- und Heimatvereins Lüdenscheid e.V. steht das Kulturhaus seit 2019 unter Denkmalschutz.

Rudolf Sparing (geb. 1941) hatte die Leitungsposition bereits 1979 übernommen, um mit seinen Erfahrungen im Theater als Dramaturg und Regisseur während der vorbereitenden Phase der Inbetriebnahme steuernd eingreifen zu können. Mit seinen Ensembles entwickelte er Programme mit Lüdenscheidern für Lüdenscheider. Unvergessen ist seine stadtgeschichtliche Revue „Lünsche paletti – woll?“ (1993), als es ihm gelang, die Rolle des Napoleon zum gesamtstädtischen Amüsement mit dem späteren Ehrenbürger Jürgen Dietrich zu besetzen. Sparing war breit aufgestellt; studiert hatte er Germanistik, Kunstgeschichte und Theaterwissenschaften. Es ist notwendig, für die Zeit während der Ära Sparing zwei besondere Programmbestandteile aus dem Bereich Musik hervorzuheben. Da sind zunächst die fünfmaligen Lüdenscheider Bachtage mit den Deutschen Bachsolisten unter der Leitung des großen Oboisten Helmut Winschermann – das waren Konzerte von internationalem Format. Bedeutsam war auch die Förderung zeitgenössischer Musik. Zum Beleg: Bei der Eröffnung des Hauses am 6. November 1981 erklang als Welturaufführung die Auftragskomposition „Salutations für Orchester, komponiert für Lüdenscheid 1981“ des schon damals legendären Giselher Klebe (1925-2009). Später kam auch der ‚Neutöner‘ Mauricio Kagel (1931-2008); das muss ein herrlicher Abend in Lüdenscheid gewesen sein. Kagel war immer für eine provokante Überraschung gut … 

Stefan Weippert (geb. 1964) folgte Sparing im Jahr 2002. Er war einerseits studierter Betriebswirt, andererseits ein hervorragend ausgebildeter Musiker mit Hauptfach Kontrabass. Die Weihnachtskonzerte im Theatersaal mit seinem „Adonis Salon Orchester“ bleiben unvergessen. Verdienstvoll ist die Reaktivierung der Waldbühne, für die er immer wieder das NN-Theater aus Köln engagierte. Er reagierte auch auf neue Strömungen: Poetry Slam ist im Programm des Kulturhauses fest verankert. Der im persönlichen Umgang sehr angenehme Weippert verließ Lüdenscheid auf eigenen Wunsch 2016.

Rebecca Egeling studierte Ökologie, angewandte Theaterwissenschaften und Bühnentanz, arbeitete anschließend als Dramaturgin, Produktionsleiterin und Regisseurin. Sie leitet seit 2017 als erste Frau das Kulturhaus in Lüdenscheid. – Egeling steht seither vor Herausforderungen. Sie führte das Vermittlungsangebot Party-Cipation ein; Vor- und Nachgespräche zu einzelnen Stücken sollen dazu führen, dass das Publikum das Kulturhaus strukturell besser nutzt und verweilt. Programmatisch stärkt sie Kinder- und Jugendtheater, weshalb von ihr Kooperationen mit Lüdenscheider Schulen eingegangen worden sind. An einzelne Programme angepasste, besondere gastronomische Angebote sollen dabei helfen, die Lücke, die durch die Schließung des Restaurants entstanden ist, intelligent zu kompensieren. Die Lüdenscheider und die Regionalgesellschaft werden hoffentlich das Kulturhaus als Ort der Kultur, der partizipierenden Kommunikation, der Geselligkeit und des Genusses in den nächsten Jahren immer wieder neu entdecken. 



 

Dr. Eckhard Trox

Museen der Stadt Lüdenscheid – Leiter Abteilung Geschichte und Kunst

​  © Kulturhaus Lüdenscheid  ​
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