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Lüdenscheider Gespräche

Verschickt, gebadet, kuriert? Kinderkuren am Hellweg

Während in den 1950er-Jahren Kindererholungskuren noch unhinterfragt als „Kernstück“ der Gesundheitsfürsorge gesehen wurden, haben die oft negativen, teils traumatischen Erlebnisse zahlreicher „Verschickungskinder“ in den letzten Jahren diese Sicht infrage gestellt und die gesellschaftliche Aufmerksamkeit auf das Thema gelenkt. Allein in Bad Sassendorf wurden zwischen 1940 und 1980 jedes Jahr weit über 1.000 Kinder im Alter von vier bis 14 Jahren in Einrichtungen unterschiedlichster Größe zu Kurzwecken untergebracht. Finanziert wurden die Kuren über öffentliche Träger, Unternehmen oder karitative Verbände. Ziel der Kuraufenthalte in den Solbädern waren die Stärkung und Heilung erholungsbedürftiger Kinder aus Westfalen und ganz Deutschland. In einigen Bädern übertraf die Anzahl der Kurkinder die Zahl der regulären Badegäste.

Neben diversen Krankheitsbildern bestimmten dabei insbesondere schlechte und „unhygienische“ Wohnbedingungen im Ruhrgebiet sowie Mangelernährung die Kurbedürftigkeit der Kinder. Aufgrund ihrer „schwächlichen Konstitution“ sollten die Kinder während der Kur durch Sol-, Licht- und Luftbäder an Gewicht zunehmen und „aufgepäppelt“ werden.

Das Forschungsprojekt der Westfälischen Salzwelten beleuchtet die Geschichte der Kinderkur in den Hellwegbadeorten. Mithilfe von Zeitzeug*inneninterviews und Archivquellen sollen Aspekte des Kuralltags untersucht werden. Im Rahmen eines Citizen Science Projektes mit Studierenden der Westfälischen-Wilhelms-Universität Münster, mit ehemaligen Betroffenen und mit interessierten Bürger*innen werden ein Vermittlungskonzept und Inhalte für einen digitalen Ortsrundgang zum Thema erarbeitet. Diese bilden einen ersten Baustein der Aufarbeitung in Bad Sassendorf.

Jeanette Metz hat Volkskunde/Europäische Ethnologie und Skandinavistik an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel mit Abschluss M.A. studiert. Seit September 2019 leitet sie das Erlebnismuseum Westfälische Salzwelten, Bad Sassendorf.